Carolinensiel – der Ort mit den drei Häfen
Um Euch den schönen Sielort Carolinensiel vorzustellen, muss ich direkt mal mit einer wunderbaren Gossip-Geschichte um die Ecke kommen, wie sie so auch in den heutigen Skandal- und Tratschblättern stehen könnte. Denn Namensgeberin des 1730 von Georg Albrecht von Ostfriesland gegründeten Dorfes war seine zweite Gemahlin Sophie Karoline von Brandenburg-Kulmbach. Die Ehe blieb kinderlos und soll besonders in ihren letzten Jahren äußerst unglücklich verlaufen sein. Denn – und jetzt wird es eben prekär – Georg Albrecht fühlte sich wohl weniger zu seiner eher mäßig begabten, aber sehr frommen Gattin hingezogen, sondern viel mehr zu deren polnischer Hofdame Maria Elisabeth. Die unglücklich verheiratete Fürstin von Ostfriesland überlebte ihren abtrünnigen Ehemann um 30 Jahre und verlebte diese bei ihrer Schwester, der dänischen Königin Sophie Magdalene. Da ihr ein wirklich liebenswürdiger Charakter beschienen wurde, trägt das Fischerdorf ihren Namen heute bestimmt sehr gerne – und blickt mit Stolz auf seine Vergangenheit zurück:
Ein besonderes Fischerdorf entsteht
Ein Jahr bevor Georg Albrecht die ersten Grundstücke an zunächst 23 neue Siedler vergab und damit Carolinensiel gründete, wurde das Gebiet eingedeicht und an der Stelle, wo die Harle auf den neuen Deich traf, ein Siel gebaut, welcher die Entwässerung in die Nordsee gewährleistete. In der hufeisenförmigen Deichnische wurde ein Außenhafen angelegt, der heutige Museumshafen, den ich Euch später noch näher beschreibe. Mit dem Bau der Friedrichsschleuse war dieser nicht mehr dem Meer direkt ausgesetzt und vor Sturmfluten geschützt – Schiffe konnten die Schleuse durch eine Klappbrücke problemlos passieren. Dadurch entwickelte sich das Dorf zum bedeutendsten Umschlagplatz Ostfrieslands, von dem aus die landwirtschaftlichen Produkte der Marsch in die Hansestädte, ins Nachbarland Niederlande und bis ganz nach Großbritannien exportiert wurden. Gleichzeitig importierte man Wolle und Kohle aus England, Holz aus den skandinavischen Ländern und Kolonialwaren aus der Ferne. Daneben – oder besser gesagt dadurch – entstand in dem Ort eine ganz besondere Stimmung. Durch die weltoffenen und feiertüchtigen Seeleute, die den bäuerlichen Nachbarn eher ein Dorn im Auge waren, siedelten sich zahlreiche Gaststätten und mehrere Brauereien an – und so entstand die noch heute gebräuchliche Redensart „Cliner Wind“: das hat nichts mit einer steifen Meeresbrise zu tun, sondern beschreibt die prickelnde Atmosphäre Carolinensiels.
Heute ist Carolinensiel der nördlichste Ortsteil von Wittmund im gleichnamigen Landkreis und liegt zwischen Neuharlingersiel und dem östlichen Ende der Ostfriesischen Halbinsel bei Schillig. Die derzeit 1555 dort lebenden Einwohner verdienen sich ihre Krabbenbrötchen heutzutage vielfach am Tourismus, denn der idyllische Fischerort ist mittlerweile Nordseeheilbad und kann mit allerhand Attraktionen aufwarten: mit einem schön gestalteten Strand, einer modern gestalteten Kurmittelabteilung, einem Meerwasserfreibad, einem Campingplatz direkt am Meer und vielen tollen Geschäften, Restaurants und Cafés.
Und das sollte man auf jeden Fall gesehen haben:
Der schon oben erwähnte Museumshafen hat heute nur noch wenig von dem hektischen Treiben der Blütezeit des Handels der vergangenen Jahrhunderte. Und doch kann man der guten alten Zeit nach nachspüren, indem man an den vor Anker liegenden traditionellen Plattboden-Seglern vorbei spaziert und den ganz besonderen Flair in einem der Lokale in sich aufnimmt. Und man kann auch an Bord gehen: der Raddampfer Concordia II fährt regelmäßig zwischen Carolinensiel und Harlesiel und legt einen Zwischenstopp an der Friedrichsschleuse ein. Mit der OSTFRIESLANDCARD erhaltet Ihr an Bord einen Rabatt beim Getränkeverzehr in Höhe von 10%.
Und mit dem hölzernen Segelkutter Gebrüder AZ5 kann man sich gemütlich durchs Wattenmeer kutschieren lassen.
So richtig eintauchen in die historische Vergangenheit kann man im Deutschen Sielhafenmuseum, welches mit vier Ausstellungshäusern rund um den Museumshafen Besucher anlockt: das „Groot Hus“ ist ein alter Kornspeicher aus dem Jahre 1840 und zeigt auf seinen Speicherböden eine echt lohnenswerte Ausstellung über das Leben an diesem besonderen Ort. Im „Kapitänshaus“ kann man eine typische gute Stube einer Kapitänsfamilie, eine Hafenapotheke, einen voll eingerichteten Kaufmannsladen, eine Seemannskneipe und das „Marie-Ulfers-Zimmer“, welches heutzutage als Trauzimmer genutzt werden kann, besuchen. In der „Alten Pastorei“ lernt man so allerhand über maritime Handwerksberufe wie Seiler, Segelmacher oder Schiffszimmerer. Und zu guter Letzt sollte man auch den alten Seenotrettungsschuppen besichtigen.
Einmal in jedem Jahr ist im Museumshafen richtig was los – immer am zweiten Wochenende im August findet das Sielhafenfest mit ganz vielen tollen Traditionsschiffen statt.
Über die „Harle-Promenade“ mit wunderbarem Blick über den Fluss gelangt man zum Yachthafen. Hier macht man bei einem Besuch sozusagen einen Kopfsprung in ein maritimes Freizeitgefühl, denn von kleinen Segelbooten bis hin zu luxuriösen Yachten könnt Ihr hier alles erspähen. Besonders guter Zeitpunkt für einen Besuch ist ca. vier Stunden vor bis vier Stunden nach Hochwasser, denn dann man beobachten, wie die Boote durch die Friedrichsschleuse ihren Weg in die Nordsee finden.
Über den Deich am Sieltor gelangt man dann noch zum Außenhafen. Von hier aus starten die Ausflugsfahrten ins Wattenmeer und zu den Seehundsbänken. Außerdem fahren hier die Fähren von und zu der ostfriesischen Insel Wangerooge.
Apropos Schiffe – denen diente im 18. Jahrhundert nämlich eine auf dem Deich errichtete Windmühle als Landmarke. Der Galerieholländer ist in seinem Äußeren noch vollständig erhalten, ein Mahlwerk gibt es jedoch nicht mehr und auch die Flügel wurden erneuert. Im Inneren befindet sich heute ein Restaurant.
Etwa genauso alt ist die Carolinensieler Deichkirche – der Name ist Programm, denn sie wurde tatsächlich auf dem Schutzwall gebaut und das ist ziemlich selten. Aufgrund dieser exponierten Lage und der damit einhergehenden Gefahr durch starke Winde wurde der Glockenturm getrennt vom Gebäude eher niedrig gebaut. Auf seiner Spitze thront dennoch eine stolze Schwanenfigur. Auch ein Blick in das Innere der Kirche lohnt sich, besonders wegen drei gestifteter Schiffsmodelle.
Richtig klasse ist auch das wissenschaftliche Erlebnismuseum Phänomania im Empfangsgebäude des ehemaligen Bahnhofs Carolinensiel. Hier kann man normalerweise ganz viel experimentieren, ausprobieren und spielerisch lernen – derzeit ist die Ausstellung allerdings wegen Bauarbeiten geschlossen.
Richtig gut kann man sich Carolinensiel übrigens durch einen Wanderweg erschließen, den man zum 275-jährigen Ortsjubiläum erstellt hat: an 18 historisch und architektonisch bedeutsamen Plätzen und Gebäuden hat man dabei Informationstafeln angebracht und man findet zudem noch weitere Thementafeln zu der regionalen Geschichte des Dorfes. Der Rundweg ist auch virtuell begehbar.
Unser Tipp:
Golf hat ja fälschlicherweise teilweise einen etwas „angestaubten“ Ruf. Das „Watt´n Golf“ in Carolinensiel liefert aber spätestens den Beweis, dass man richtig viel Spaß dabei haben kann. Auf zwölf Bahnen erlebt man hier eine tolle Mischung aus Minigolf, denn so sind die fest angelegten Strecken angelegt, und Golf. Hierfür sind die natürlichen Gegebenheiten der Wattlandschaft geradezu ideal – und man lernt dabei sogar allerhand über das faszinierende Weltnaturerbe. Als Inhaber der OSTFRIESLANDCARD erhaltet Ihr an der Kasse Rabatt für den Eintritt.
Uta – ursprünglich eine jecke Niederrheinerin – ist auf der Nordseeinsel Juist entstanden, wo sie auch 16 Jahre lang gelebt hat. Sie bloggt also über ihre zweite Heimat Ostfriesland – und daneben auf Don´t forget to Hüpf.
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